[UPDATE Dezember] Tagebuch 1794: Die Pfalz während des Ersten Koalitionskriegs
von Karl August Köster (1776–1848) aus Friedelsheim
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Historische Kriege werden oft als eine Abfolge von Schlachten, Belagerungen, Siegen und Niederlagen dargestellt. Gelegentlich werden auch die Bewegungen der Heerestruppen oder die Verlustzahlen bei Zusammenstößen beschrieben. Was jedoch häufig vernachlässigt wird, ist die Situation all derjenigen, die im Krieg lediglich eine passive Rolle spielen: Die Bevölkerung der Landesteile, die von den Durchzügen verschiedener Armeen betroffen sind, die die Last der notwendigen Versorgung der in der Nähe lagernden Truppen ertragen und bewältigen müssen oder die unter der Zerstörung wichtiger Infrastruktur leiden.
In unserer neuen Reihe Historische Fundstücke wollen wir im Laufe des Jahres den Fokus auf diese unfreiwilligen Kriegsteilnehmer mit einer besonderen Quelle richten: einem Tagebuch aus dem Jahr 1794, verfasst von dem damals 17-jährigen Karl August Köster (11.12.1776–20.3.1848). Fixpunkt des Tagebuchs ist das elterliche Weingut, der ehemalige Ramser Hof in Friedelsheim nahe Bad Dürkheim, das Köster nach seinem Studium und der Promotion in Marburg (ab 1796) und Heidelberg (ab 1799) übernehmen sollte. In Dürkheim arbeitete er zudem als Notar. Als Mitglied des Landraths des Bayerischen Rheinkreises war er lange Jahre dessen Präsident und darüber hinaus mehrfach Abgeordneter des Bayerischen Landtags, wo er als Mitglied der entschiedenen liberalen Opposition bekannt war. Krankheitsbedingt musste er 1837 sein Landtagsmandat abgeben. Elf Jahre später stirbt Köster im März 1858 in Friedelsheim.
Sein Tagebuch, das erstmals 1910 in den Leininger Geschichtsblättern abgedruckt wurde (Leininger Geschichtsblätter 9.1910 H. 7–11), zeichnet Köster als genauen Beobachter der lokalen Situation aus: Die mehrmonatige Belagerung der französischen Festung Landau durch die alliierten Truppen aus österreichischen und preußischen Heeresverbänden während des Ersten Koalitionskrieges war am 28. Dezember 1793 durch das Herannahen eines hoch motivierten Entsatzheeres gescheitert. Der Schlachtruf Landau ou la mort – ›Landau oder der Tod‹ hatte die republikanischen Truppen angetrieben. Für die Gegend um Dürkheim bedeutet dieser Rückzug zuerst einen Durchmarsch der preußischen Truppen und später die Ankunft der Vorhut der französischen Rheinarmee. Neben den Plünderungen, die unmittelbar während des Durchmarschs der Truppen zu erleiden waren, kamen für die Bewohnerinnen und Bewohner des nun besetzten Landstrichs ab diesem Zeitpunkt auch die Abgabe von Kontributionen zur Verpflegung und zum Unterhalt der Soldaten als Belastung hinzu.
In der neuen Reihe Historische Fundstücke, von der das Köster’sche Tagebuch der erste Beitrag ist, soll es weniger um eine historische Darstellung im klassischen Sinn gehen als vielmehr um die Quellen selbst. Sie stehen im Mittelpunkt und sollen neben einer flankierenden historischen Einordnung für sich sprechen. Entsprechend werden wir im Laufe dieses Jahres Karl August Köster bei seinen Erlebnissen vor 230 Jahren begleiten können. Wir wünschen Ihnen viel Freude beim Lesen von Kösters erstem Tagebucheintrag vom Januar 1794.
Maximilian Lässig
Januar 1794
Auf den zweiten Weihnachtstag (Donnerstag, 26. Dez. 1793) haben wir die erste Nachricht bekommen, daß die Franken die Linien der Alliierten durchbrochen hätten und Landau, das schon sechs Monate* eingeschlossen war, entsetzen wollten. Nun hörte man den Kanonendonner immer näher kommen, unsre Angst nahm immer zu, da Sonntag (29. Dez.) viele Marketender, Bagage und Blessierte ankamen und einstimmig aussagten, Landau sei schon auf einer Seite entsetzt. Die Nachrichten, die man von dem Betragen der Franken bekam, waren so durchkreuzend* , daß man nicht wußte, was man glauben sollte. Bald hieß es, sie brennen die Dörfer ab und niemand sei seines Lebens sicher, bald kam wieder die Nachricht, sie würden uns nicht so grausam behandeln. Mit Furcht und Schrecken erwarteten wir unser Schicksal. Die Straßen waren immer mit Menschen besetzt, die ihre beste Habe hüteten.
Heute und in der (vergangenen) Nacht kamen schon etliche Regimenter preußische Infanterie hier durch, am Gebirg bei Neustadt und Mußbach sah man ein starkes Kanonenfeuer, welches 2 Stunden lang dauerte. Die preußische Armee zog sich immer besser zurück; Dienstag (31. Dez. 93) abends kam die Arrieregarde* hier an und die Dragoner vom Regiment Katt wurden bei uns einquartiert, welche den andern Morgen fortgingen.
Mittags passierte dann das Wolfrathische Husarenregiment hier durch, das ein sehr starkes Kommando hinterließ, das die Vorposten besetzte. Gegen vier Uhr zogen sie sich auch zurück. Gleich darauf kam ein franzosischer Chasseur à pieds* , welcher uns avertierte* , daß eine Kolonne von 10 000 Mann am Tiergarten ankommen würde und daß man seine besten Sachen verbergen solle. Zugleich sagte er, daß er von jeder Gemeinde für diese Warnung etwas bekäme. Mein Vater gab ihm einen kleinen Taler. Dann schoß er seine Flinte ab und ging.
Bald darauf kamen Husaren vom Regiment Estherhazy und begehrten Brot und Wein, zu uns kamen aber, die nur Wein begehrten.
Gleich darauf kamen 700 Husaren, von welchen wir 20, und ein Bataillon Infanterie, von welchen wir den Kommandanten, 2 Capitäne, 2 Lieutenants und den maître de quartier* bekamen. Ihr Anblick setzte uns anfangs in Schrecken, da jeder eine Büchse, 2 Pistolen und große Schnurrbärte trug. Uebrigens betrugen sie sich recht ordentlich. Die Husaren aber begehrten, was ihnen einfiel. Abends kamen die Leute aus dem Ort und beklagten sich bei uns, daß die Soldaten ihnen alles nähmen. An mehreren Plätzen machten sie an den Häusern so große Feuer an, daß das Dorf in Gefahr war, abzubrennen. Einmal hatten sie sogar zwischen den Scheuern große Feuer angezündet und hinter den Hofställen war das Feuer so groß, daß es an den Ziegeln widerschlug.
Den andern Tag war Rasttag. Die Soldaten, die am Tiergarten sich gelagert hatten, kamen nun haufenweis herein ins Dorf und holten Dörrfleisch, Mehl. Brot, Butter und alles Küchengeschirr, Kübel, überhaupt alles, was sie nur brauchen konnten. Die Volontairs* stürmten die Keller und ließen hie und da den Wein laufen, Hühner, Gänse, Enten, Tauben, Schweine wurden totgeschossen und mitgenommen. Strümpfe, Hemden, Weißzeug wurden bei dieser Gelegenheit nicht vergessen. Unsere Einquartierung war so ordentlich und ließ Niemand in unsern Hof. Einige derselben begehrten Hemden von uns, die wir ihnen auch gaben. Die Offiziers ordneten an diesem Tage wegen der vielen Unordnungen reitende und Fußpatrouillen an, was aber wenig half. Und so gings auch die ganze Nacht. Der Grenadierhauptmann Balle, der bei uns einquartiert war, ein rechtschaffener Mann, gab uns nachher eine Sauvegarde* von 20 Mann. Freitag (3. 1. 94) morgens marschierte dann die Kolonne hier durch, wovon die Kavallerie besonders schön war.
Am Lambsheimer Wald machte die Kolonne halt und gegen Mittag wurde stark daselbst kanoniert. Abends zog sich die Kavallerie hierher zurück, die Infanterie blieb am Walde stehen. Wir bekamen das Haus wieder voll Husaren nebst 6 Offizieren. Den andern Morgen stiegen die Husaren über das Thor und zu den Fenstern hinein und trugen den Wein in Kübeln und Logeln* fort, welches bis in die Nacht so fortging. Die Offiziere wollten es verhindern, aber vergeblich. Deswegen gingen 2 Offiziere mit meinem Vater nach Ellerstadt, wo das Hauptquartier war und bekamen vom General den ausdrücklichen Ordre, daß der Oberst des Husarenregiments sogleich diese Unordnung abstellen solle. Der Oberst las ihnen die Ordre vor und doch wollten sie nicht gehen. Da er ihnen aber sagte, er würde »zu Pferde blasen lassen«* , gingen sie endlich fort. An diesem Tage kostete es uns allein 12 Ohm* Wein und 80 Zentner Kleehen.
Sonntags den 5ten Januar ging die Kavallerie und die ganze Armee vorwärts.
Nun wurde dem Oberamt Neustadt 4 Millionen (fl.* ) Brandschatzung angesetzt nebst einer Lieferung von vielen 1000 Hemden, Strümpf, Schuh, usw. Dazu sollte unser Ort 15000 fl. nebst einer Anzahl Hemden etc. beitragen. Da diese ungeheure Forderung unmöglich war zu erfüllen, gab uns das Oberamt den Rat, uns der Nation ganz zu übergeben, welches auch schon mehrere Ortschaften getan hatten.
Den 7ten Januar wurden abschläglich 600 fl. Kontributionsgelder an die dazu bevollmächtigte Municipalität Neustadt abgeliefert. Dann wurden an Kleidungsstücken geliefert: Röcke 23, Hosen 24, Schuh 18, Hemden 107. Die Taxe davon macht 253 fl.
Auch kam heute der Kommissar Gerber und nahm 51 Kühe und 3 Ochsen weg, welche nach Neustadt getrieben wurden.
- Den 8ten kam ein Befehl vom Arondissement Neustadt, daß die Stadt Speyer die zum Arondissement N. gehörigen Dörfer in keiner Weise anziehen solle.
- Den 9ten wurden an den Kommissär Gerber 900 Stück Schafe geliefert, ferner eine Kuh.
- Den 10ten Januar wurden nach Neustadt 8 Malter* Hafer, 127 Gebund Stroh und 1 Kuh geliefert.
- Den 11ten Januar wurden nach Neustadt 7 Malter Hafer, 163 Rationen Heu à 15 Pfd., 132 Laib Brot à 3 Pfd., und 1 Kuh geliefert.
- Den 13ten Januar wurde nach Neustadt 400 Pfd. Brot, 170 Rationen Heu à 15 Pfd. geliefert.
- Den 16ten wurden nach Neustadt ins Magazin der Republik 400 Pfd. geliefert.
- Den 18ten wurden 8 Rationen Hafer und 8 Rationen Heu geliefert.
- Den 21ten wurden 192 Pfd. Brot ins Magazin der Republik nach R. geliefert, ferner wurde nach Wachenheim 1 Wagen Heu geliefert.
- Den 22ten wurden 102 Rationen Hafer, 102 Rationen Heu nach N geliefert, ebendahin 400 Pfd. Brot ins Magazin der Republik.
- Den 23ten wurden 8 Rationen Heu und 8 Rationen Hafer geliefert an Offiziers, die hier durchkamen.
- Den 24ten kam ein Befehl von Lambsheim, 400 Pfd. Brot und 100 Stück Hornvieh zu liefern.
- Den 25ten wurden 98 Säck allerlei Früchte an den Kommissär Maure geliefert und 26 Stück Hornvieh.
- Den 26ten wurden an den Kommissär Voltz 24 Kühe geliefert.
- Den 27ten lieferten wir ins Magazin nach Lambsheim 400 Pfd. Brot.
- Den 28ten wurden 2 Wagen Heu nach Lambsheim geliefert.
- Den 29ten wurden auf eine Wacht 275 Pfund Brot geliefert. Ferner wurde der Ueberrest der Schafe auf der Weide hinweggenommen, welcher noch in 150 Stück bestand.
In dieser Zeit hatten wir oft Zuspruch von Offiziers, davon etliche krank waren und 8 Tage bei uns blieben.
Den 30ten Jan. marschierte die Rheinarmee über Ellerstadt, Gönnheim und Meckenheim zurück, bei welcher Gelegenheit mehrere von den uns bekannten Offiziers zu uns kamen, auch wurde heute Mittag die Sauvegarde abgerufen. Als sie kaum fort waren, kamen 8 Dragoner und begehrten Hemde[n], Schuh und Halstücher. Wir gaben ihnen Geld, um sie los zu werden, sie nahmen aber dasselbe, stiegen von den Pferden und nahmen noch im Haus dazu, was ihnen gefiel. Die Nacht hindurch war es ganz ruhig.
Den 31ten Jan. Wir glaubten nun, daß alles vorüber wäre, als 2 Volontäre kamen, welche sagten, daß bald eine Kolonne von 10 000 Mann von Oggersheim kommen und hier durchmarschieren würde, bald darauf kam sie auch wirklich hier an. Die Hälfte davon ging ganz ruhig hier durch, die andere Hälfte aber stürmte haufenweise in die Häuser und plünderten alles rein aus. Das Vieh wurde hauptsächlich mitgenommen und fortgetrieben, auf der Straße sogar rissen sie den Leuten die Halstücher und die Hüte vom Kopfe, Schuhe von den Füßen. In unser Haus stürmten sie hundertweis hinein, da die Türen nicht offen waren, stießen sie dieselben mit ihren Flintenkolben ein. Die Bette[n] schnitten sie auf, um die Ueberzüge zu bekommen, wenn hundert hinaus waren, kamen wieder soviel andre herein, wir riefen die Offiziers um Hilfe an, aber es half nicht viel. Manche gaben sich alle Mühe, das Eindringen zu verhindern, aber umsonst; einer stellte sich eine Zeitlang mit dem bloßen Säbel unter die Türe, aber die Volontairs schlugen die Flinten auf ihn an und er mußte es sein lassen. 5 Kühe, die wir noch hatten, nahmen sie auch mit fort, alle Hühner, Enten, Gänse, Tauben, Schweine, überhaupt alles wurde heute weggenommen.
Bis Mittag war nun die Kolonne durch, als 2 Bataillone, die schon halbwegs Dürkheim waren, wieder zurückkamen und hier und in Gönnheim einquartiert wurden, wir bekamen den Obrist und einige Offiziers. Um nun das Eindringen in unsern Keller und die Unordnung zu verhüten, gaben wir dem Bataillon 6 Ohm Wein, den wir in einem großen Bauchzuber trugen, der im Hofe stand.
Unterdessen wurde Generalmarsch* geschlagen und das Bataillon mußte nach Gönnheim, weil sich Preußen sehen ließen. Nach Verlauf einer Stunde kamen sie wieder hierher. Nun teilte der Kommandant selbst den Wein unter sie aus. Gegen Abend kam das Bataillon auch noch von Gönnheim und wurde zu dem andern einquartiert, davon wir auch den Kommandant und 3 Offiziers bekamen. Nachts kamen noch 50 Dragoner, die bei Gönnheim die Vorwacht hatten und deren Offizier wir auch noch ins Quartier bekamen. Die Nacht blieben nun die zwei Bataillone hier. Viele Volontärs kamen von ihren Bedetten und trugen den Wein im Kübel hinaus zu ihren Kameraden. Gegen Tag kamen die 50 Dragoner alle in unser Haus und holten sich Fourage* , nebst dem Hafer nahmen sie noch alles, was wir auf dem Speicher versteckt hatten. Unsere Ställe, Scheuern, der ganze Hof, war mit Soldaten angefüllt. Morgens gingen die 2 Bataillone fort nach Dürkheim.
In diesen traurigen Wochen hat unser Dorf ohne die Lieferungen 30 Wagen Heu durch die Einquartierung verloren, und bei dem letzten Durchmarsch der Armee 30 Säcke Frucht. Die erste Plünderung beträgt nach Angabe der Gemeinde 12596 fl. Die Plünderung der Moselarmee... [eventuelle Kürzung durch Leininger Geschichtsblätter, ML]
Ferner wurden 52 Kühe 4 Ochsen 7 Pferde geplündert. Auch wurden fast alle Pferde, die für die Franzosen fröhnen mußten, samt den Fuhrwerken von denselben weggenommen. Unser Knecht, der mit dem Wagen bei der Armee war, ging mit dem Wagen durch und kam heute hier an.
Der Februar brachte für Karl August Köster und seine Familie keine Erleichterung. Im Gegenteil: Wenn man aufgrund seiner Ausführungen des vorangegangenen Monats den Eindruck gewinnen konnte, im Weingut wie auch im gesamten Dorf Friedelsheim sei nichts mehr zu plündern und zu requirieren, wird erst recht durch Kösters Bericht vom Februar deutlich, weshalb der Winter 1793/1794 als »Plünderwinter« im kulturellen Gedächtnis der Pfalz verhaftet blieb. Während ungefähr 10 % der Bewohnerinnen und Bewohner vor den Franzosen über den Rhein flohen, versuchten viele Bauernfamilien sich und ihr Vieh durch die Flucht in den Pfälzer Wald zu retten. Die Familien Köster hingegen versuchte ihren Besitz vor Ort zu schützen, was ihnen nur mäßig gelang.
Februar 1794
Samstags wars nun ganz ruhig. Sonntags hörte man in Wachenheim trommeln, wo sie sich einquartiert hatten, und man glaubte, sie würden sich in ihre Linien zurückziehen. 8 Tage lang wars nun ganz still und es kam auch keine Patrouille hierher. Die Franzosen hatten die Linie von Speyer bis Wachenheim und Lautern bezogen.
Den 10. Februar kamen wieder die Husaren hierher, tranken Wein bei uns und gingen wieder fort.
Den 11ten kam der Kommissär Maure hierher mit einem Kommando und setzte unserm Dorfe 200 Malter Frucht an. Er visitierte die Keller und Speicher und sagte, daß er würde morgen unsern Wein und Branntwein holen lassen. Auch unsern gedörrten Krapp* und Rübs. Alles wollte er in Requisition setzen. Man sagte: „Nichts als die Augen, euer Unglück zu beweinen, soll euch bleiben.“
Den 13ten kam Maure mit einem 100 Mann starken Kommando, umstellte das Dorf und ließ 12 Wägen mit Wein und Branntwein laden; bei dieser Gelegenheit wurde viel Wein von den Betrunkenen, die mit Kübel und Logel auf den Boden fielen, verschüttet.
An diesem Tage verloren wir 50 Ohm vom besten Branntwein, davon die Ohm selbigmal 60 fl. kostete, und 4 Fuder* Wein. davor wir etliche Monate per Fuder 30 Louisdor haben konnten. Den 17ten kam der Kommissär und holte noch 8 Fuder Wein von der nämlichen Güte. Im Keller floß der Wein auf dem Boden. Bei dieser Gelegenheit verloren wir auch 10 neue einhalb Fuderfässer, welche gering angeschlagen 200 fl. wert waren. Ferner ließ heute der Kommissär 50 Malter Frucht von den Speichern wegnehmen.
Die Patrouillen kamen nun täglich hierher und weil niemand mehr Wein hier hatte, mußten wir ihnen jedesmal zu trinken geben, so daß es manchen Tag 4–5 Viertel* kostet. Außer diesen Patrouillen kamen unaufhörlich die roten Husaren, die zu Wachenheim, Forst und Niederkirchen lagen, und suchten Fourage.
Nun ging das Elend erst recht an. Das Wenige, was die Leute von den Plünderungen der Armeen noch erhalten hatten, wurde ihnen jetzt von Tag zu Tag genommen. Brot, Butter, sogar Löffel, Messer, Gabeln, alles mußte man verstecken, wenn man gegessen hatte. Die Leute wurden immer von den Soldaten so geängstigt, daß viele vor Schrecken starben. Die Patrouillen, die bis nach Ellerstadt und Lambsheim ritten, brachten oft Kühe, Pferde und Schweine mit, Kleidungsstücke und allerlei andere Sachen, die sie genommen hatten. 3 Monate lang kam ich nicht aus den Kleidern, weil die Patrouillen oft nachts 3 Uhr schon kamen und Wein tranken. Solche Patrouillen waren oft 20 Mann Husaren und 30 Mann Infanterie stark.
Den 19ten kam ein Kommando 150 Mann stark von den chasseurs à cheval* , die alle Speicher aussuchten und von allen Sorten Früchten 57 Malter wegnahmen. Auch kam heute ein Kommando von Wachenheim, welches 15 Malter Spelz und Hafer holte.
Den 20ten Februar wurden alle Häuser und Scheunen durchsucht und an Früchten fortgeführt 62 Malter. Ferner wurden auch bis zu Ende dieses Monats 20 Wagen Stroh geholt.
Den 21ten kam der Agent maréchal* , welcher den Auftrag hatte, die Glocken und die eisernen Reife im Schloßkeller zu holen. Es wurden dabei 3 Wägen eiserne Reife nebst der Glocke auf dem Schloßturm und 8 Wägen Stroh geholt. Die große Glocke auf der Kirche wurde ihnen wieder mit 300 L. en assignats* abgekauft.
Zwar ist Kösters Eintrag für den März 1794 recht kompakt. Dennoch beschreibt er sehr eindrücklich die Willkür, die eine unbewaffnete Bevölkerung zu erleiden hat, wenn sie bewaffneten Soldatentruppen hilflos ausgeliefert ist. Der Versuch, diesem Machtgefälle auf offiziellem Weg etwas entgegenzusetzen, führt dabei zu keiner Verbesserung der Zustände, sondern nur zu harschen Vergeltungsmaßnahmen. Auch, wenn es in einem Gebiet gerade nicht zu direkten militärischen Auseinandersetzungen kommt, zeigt Kösters Beispiel, dass diese scheinbar friedliche Zeit für die betroffene Bevölkerung keine Verschnaufpause darstellte. Im Gegenteil. Eine Besatzung, die nur auf der willkürlichen Macht Bewaffneter gegenüber Unbewaffneten fußt, wodurch eine zivile Durchsetzung von Rechten unwirksam wird, kann kaum als ›friedlich‹ bezeichnet werden.
März 1794
Da nicht allein die hier durchziehenden Patrouillen, sondern auch die Husaren, die immer Fourage suchten oder spazieren gingen, in die Häuser eindrangen und plünderten, haben wir uns etliche male bei dem General der Avantgarde beschwert und die Antwort bekommen wir sollten sie binden und ins Hauptquartier liefern. Aber da hätten wir die Sache nur um so ärger gemacht, denn da wir uns etliche male gegen sie wehrten und nur zum Dorfe nausjagten, kamen hernach 200 Volontärs und 50 Husaren, die zur Plünderung unseres Ortes bestimmt waren. Sie wurden daher am Ende des Dorfes rangiert* und nach gegebenem Befehl ins Dorf gelassen. Die Volontärs hoben die größten Tore aus den Angeln, stürmten die Häuser, und was nicht gleich aufgemacht wurde, stießen sie mit den Flintenkolben ein. In den Kellern und Gärten visitierten sie mit Säbel und Bajonette, ob nichts vergraben wäre, und fanden auch etliche Kisten, die mit Fleisch, Kleidern u. dergl. angefüllt waren, und alles wurde mitgenommen. Dreißig rote Husaren,* die in unserm Hause schon öfter getrunken hatten, kamen zu uns, machten das Tor zu und ließen Niemand hinein. Sie begehrten nur Brot und Wein. Bis Mittag hatte die Tragödie ein Ende und der Kommandant sagte, dies sei geschehen, weil man die Soldaten beim General verklagt hätte.
Den 13. März kam eine Kommission vom Zentral-Komitee hier an und setzte unserm Dorf 6000 L.* in Geld an. Die 600 fl, die schon im Januar nach Neustadt geliefert wurden, wurden abgezogen, das übrige aber an den General Ditvieux in Deidesheim bezahlt. Unsre Kuh, die wir noch erhalten hatten, flüchteten wir nachts nach Mannheim. Da die Husaren Kühe nahmen, trauten wir [uns] nicht mehr, sie hier zu behalten; auch hatten wir noch eine zu Lambsheim stehen, die wir zu Dürkheim etliche Tage nach der Plünderung der Moselarmee wieder gefunden hatten. Unser Kleeheu, das wir ganz mit Stroh zugeschlagen hatten, wurde nun auch entdeckt. Es kam ein Kommando von Wachenheim, ein Offizier nahm die Leiter und sagte, er wisse ganz gewiß, daß wir noch Heu hätten und fand es auch. 3 Wägen, die er bei sich hatte, ließ er dann laden und nach Wachenheim führen. Die Husaren, die es nun auch erfuhren, kamen alle Tage und schleppten auf ihren Pferden jeder 6 Rationen fort. Etliche Tage danach kam wieder ein Kommando und holte noch 4 Wägen Heu, den Rest holten die Husaren auf ihren Pferden. Bei dieser Gelegenheit nahmen sie auch unsern ganz neuen Wagen mit.
Da nun unser Heu fort war, suchten sie täglich das ganze Dorf aus und fanden auch das bischen Heu noch, das verborgen war. Immer wurde geplündert, bald nahmen sie Betten, Kleidungsstücke, Zinn, Eisen, bald Brot, Fleisch, überhaupt alles, was nur 2 Kreuzer wert war. Einer von ihnen hat hauptsächlich „Kärch“* gestohlen, und sie mit seinem Pferde fortgeführt. Wenn einige ein Haus durchsuchten, stand einer mit gezücktem Säbel und gespannter Pistol* vor dem Tor, daß niemand zu Hilfe kommen konnte. Viele der Husaren waren jetzt nicht mehr mit dem Trinken zufrieden, sondern brachten kleine Fässer mit, welche wir ihnen füllen mußten. Die Kommandos, die beim Strohholen als Wachen ausgestellt waren, verließen ihre Posten und suchten die Häuser aus; da wir noch Wein hatten, kamen wir, was diesen Punkt (das Plündern) anbelangt, ziemlich gut davon.
Nach der Lektüre der vorangegangenen Einträge konnte man den Eindruck gewinnen, im Haus der Kösters sei nichts mehr übrig geblieben, das sich zu plündern lohne. In Karl August Kösters Eintrag vom April 1794 werden wir jedoch erfahren, dass dies noch lange nicht der Fall war. Allerdings war dies nicht das einzige und größte Problem, das die Familie Köster – und mit ihr das gesamte Dort Friedelsheim – zu ertragen hatte. Vermutlich aufgrund seines entschiedenen Einsatzes gegen die Plünderungen wird Köster selbst zur Zielscheibe der soldatischen Willkür: Mit gezücktem Säbel verfolgt und von der Guillotine bedroht, musste Köster im April 1794 ernsthaft um sein eigenes Leben fürchten.
April 1794
Nun war die Zeit da, daß man säen sollte. Das ärgste war, daß die wenige Sommersaat, die man aus Mangel an Saatfrucht und Zugvieh bestellen konnte, von Hand unter die Erde gebracht werden mußte. Und da hätte auch dem härtesten Menschen das Herz bluten mögen, wenn man sah, daß Menschen wie das Vieh angespannt waren und das taten, was man sonst nur Pferden und Ochsen zumutet. Auch litt die Winterfrucht, die bei diesem guten Jahr hätte gut geraten können, durch das unaufhörliche Reiten und Fahren, das immer quer über das Feld ging, außerordentlichen Schaden.
Viele junge Männer sind an den Folgen des Schreckens gestorben, mein Vater wurde auch krank und konnte bei solchen Umständen auch so bald nicht wieder gesund werden. Das Schrecklichste hierbei war noch die Angst, die wir den 10. April ausstehen mußten.
Unser Knecht kam diesen Abend mit dem Karch hierher und brachte uns etliche Malter Gerst, die wir noch säen wollten. Da er eben zum Tore hineinfahren wollte, kamen 6 Husaren, sabre á la main* und nahmen gleich die Fuhr weg. Hernach gingen sie ins Haus – es war neun Uhr – und plünderten alle Stuben aus. Immer setzten sie uns die Säbel auf die Brust und begehrten Geld und eine Uhr, mein Vater lag krank im Bett, demohngeachtet suchten sie das ganze Bett aus, mir gaben sie etliche Hieb mit der flachen Kling. Drei hielten Wache vorm Tor, daß uns niemand zu Hilfe kommen konnte, die andern hatten sich die Gesichter ganz mit Ruß geschwärzt und Schaum vorm Maul, daß wir sie nicht erkennen sollten. Mit den Säbeln schlugen sie vor Wut alle Gläser auf dem Tische entzwei, auch visitierten sie uns allen die Taschen aus. Dies währte bis Viertel auf 11, wo sie hernach mit dem Karch, der Frucht und den geplünderten Sachen wegritten und noch sagten »c'est une patrouille comme il faut.«*
Den andern Abend ließ sich daher mein Vater in unsrer Kutsche, die bis Lambsheim von 12 Männern von hier gezogen wurde, nach Mannheim fahren, weil es fast kein Mensch mehr aushalten konnte, und wir noch mehrere solche nächtliche Besuche fürchteten.
Ich blieb nun allein hier, aber wie gut wars, daß sie fort waren. Drei Stund hernach kamen wieder Husaren und 3 Volontärs an. Die Männer, welche die Kutsche gezogen hatten, waren noch bei mir und wir nahmen es mit ihnen auf. Mit Prügeln und (Mist-)Gabeln stellten wir uns einwendig an die Fenster, die schon eingehauen waren. Das ganze Dorf kam mit Stangen herbei, und sie mußten die Flucht ergreifen.
Den andern Tag kamen wieder Husaren und holten allen Salat und Kraut in unserem Garten nebst einem Karch Kornstroh. Der Wein war nun alle getrunken und betrug seit dem Rückzug der Armee 3 Fuder, den sie getrunken hatten. Alle Tage wurde nun das Haus ausgesucht und mitgenommen, was sie fanden.
Auf die Ostern wurde mir morgens mein Bett noch genommen. Den 16. April kamen Husaren von Forst und nahmen noch die Standuhr, die ich bisher erhalten hatte, nebst vielen andern Sachen, nichts mehr war sicher. Viermal mußte ich mich flüchten und in der Frucht verbergen, weil ich Wein herbeischaffen sollte. Wenn man nur von ferne einen Soldaten kommen sah, zitterte man schon am ganzen Leibe. Brot, Butter und Fleisch mußte man in den Mist oder in die Erde vergraben, wo es doch nicht sicher war, weil sie immer mit dem Säbel in den Gärten und Kellern visitierten.
Die reformierte Kirche wurde heute auch ganz ruiniert und die Orgel zusammengeschlagen.
Den 24. April wurde von den Franzosen der Schloßgraben abgelassen, um die Fische zu bekommen, und alle Schränke und Tische in den Zimmern des Schlosses* zu den Fenstern hinaus ins Wasser geworfen. Den andern Tag, da das Wasser abgelaufen war, kamen 200 Volontärs und viele Husaren, um zu fischen. Auch wurden bei dieser Gelegenheit 20 Wägen Stroh und 5 Wägen Heu geholt.
Die Vorposten der Franzosen haben heute 7 preußische Dragoner vom Regiment Katt, die sich bis auf die Ruth* vorgewagt hatten, gefangen. Kaum waren diese hier durchtransportiert, als der Kommandant der Husaren, Anglois, mich rufen ließ, unter dem Vorwand, ich solle was verdolmetschen. Als ich am Schloßgraben ankam, sagte mir der Kommandant, ich sei ein Spion und arretiert* , weil ich die Preußen avertiert* hätte, daß sie (die Franzosen) heute den Graben ausfischen wollten. Obgleich nun daran kein wahr Wort war, mußte ich mir doch gefallen lassen, fortgeführt zu werden. Ein Husar transportierte mich nach Forst, wo der Husarenkimmandant lag, von da wurde ich ins Hauptquartier der Avant-Garde zum General Girard Ditvieux* geführt, wo mir die Husaren sagten, daß ich würde guillotiniert werden.
Der General machte seinen Bericht ins Hauptquartier und ich wurde nun nach Neustadt transportiert, wo ich zu den Volontärs auf die Wachtstube gesetzt wurde, und es hieß, daß ich heute noch nach Landau müßte. Indessen kam ich nach 2 Stunden durch die Versicherung der Neustadter Municipalität, daß ich unschuldig sei, wieder los. Die Nacht blieb ich auf dem Spitalhof übernacht.
Den andern Morgen ging ich wieder nach Deidesheim zum General, um einen Paß zu begehren. Anstatt des Passes bekam ich eine Ordonanz, die mich nach Niederkirchen transportierte, wo mir der Kommandant eine Wacht bis zu den Vorposten mitgab. Von diesen gingen wieder drei mit und nahmen mir unterwegs – mein Geld ab.
So kam ich Montag den 26. wieder glücklich nach Haus, aber ich war um nichts gebessert. Denn gegen Abend kamen 4 Husaren, davon der eine mich beschuldigte, ich hätte ihn, als er vor 2 Jahren hier durch sei transportiert worden, ins Gesicht gespien und getreten. Er zog alsdann seinen Säbel heraus, setzte ihn mir an den Hals und sagte »allons, marche«!* So unwahr dies auch war, fand ichs doch für geratener, durchzugehen und sprang in den Garten und von da über die Bach.* Er ritt mir aber mit gezogenem Säbel nach. Von Glück war, daß er nicht über die Bach konnte. Ich stellte mich, als wollte ich ins Beckers Haus springen, deswegen er gleich wieder hinauf ritt, auch aufs Beckers Haus zu. Ich hingegen sprang wieder zum Garten hinaus und lief immer in der Bach bis nach Gönnheim. Da die Türe an des Beckers Haus verschlossen war, gewann ich Zeit genug davonzulaufen. Die Husaren, welche in der Meinung waren, ich sei wirklich in des Beckers Haus, suchten mich länger als eine halbe Stunde. Als ich in Gönnheim erfuhr, daß sie fort wären, bin ich wieder hierher. Jedermann riet mir, nicht hier zu bleiben, weswegen ich den Abend noch fort nach Lambsheim ging. Da es schon 10 Uhr war, wurde mir das Tor nicht mehr aufgemacht und ich legte mich in einen Kleeacker bis morgens, da die preußische Patrouille kam. Ich fuhr nun nach Mannheim und konnte wieder frei atmen. Den Tag darauf reiste ich nach Mauer, wo ich bis zum Vorrücken der Preußen blieb.
Den 25. April holten die Franken 30–40 kleine Fässer, dazu mir 8 geben mußten.
Den 26. sind die Franken mit der ganzen Avantgarde vorgerückt und haben die Gegend von Frankenthal und Grünstadt rekognosziert.* Die Lambsheimer und Freinsheimer weigerten sich ihre Tore aufzumachen und wollten sich zur Wehr setzen. Deswegen schossen die Franzosen die Tore mit Kanonen zusammen und hieben alle Fenster ein. Das Vieh, welches die Franzosen aus Lambsheim und Freinsheim brachten, betrug ungefähr 200 Stück. Das meiste war (von den Nachbarorten hinter die dortigen Festungsmauern) geflüchtetes, unsre Kuh hatten wir in dem Keller verborgen.
Da nun die Fourage alle war, wurde der Klee fouragiert. 3–4000 Mann deckten die Fouragierung und pflanzten ihre Kanonen auf den Anhöhen des Bruche* auf, die Volontärs brachten ihre Sensen mit und wer sich sehen ließ, mußte helfen. Dieses geschah viermal in unserer Gemarkung. In der Gegend von Lambsheim und Eppstein wurde auch Frucht fouragiert, welches in unserer Gemarkung nicht geschah, außer einem Acker mit Spelz hinter der Wallershöhe.*
Den 28. holten die Husaren unsre Halbe Chaise nebst 1 alten Bett.
Den 29. fanden die Husaren viele blechene Oelkannen und auch Zinn, das wir in unsres Nachbarshaus verborgen hatten, und auch einen Kasten voll Papiere und 3 Säcke voll Bücher, die der Citoyen R. verbrennen ließ. Auch wurden uns heute durch die Husaren etliche eiserne Reif und der Pumpenschwengel genommen.
Die französischen Eroberungen waren (noch) nicht dauerhaft, wie der Tagebucheintrag für den Mai zeigt. Während die Lage anfangs noch unübersichtlich ist und sowohl preußische als auch französische Truppen die Gegend rund um Friedelsheim beanspruchen, scheint sich eine gewisse Entspannung einzustellen, in der die Bevölkerung sogar das versteckte Vieh zurückzuholen wagt oder sich an die lange liegengebliebene Feldarbeit macht.
Mai 1794
Den 4. Mai morgens 5 Uhr kam der Kommissär Garnier mit 10 Dragonern, welche Pechkränze bei sich hatten. Sie ließen Stroh und Reben auf den Schloßspeicher tragen und zündeten es an. Zum Glück war es windstill, sonst hätte das Dorf noch abbrennen können. In Zeit von 4 Stunden war das ganze Dachwerk zusammengebrannt.
Endlich rückte die preußische Armee in der Nacht vom 22. auf den 23. vor. Es war morgens 4 Uhr, als die Kolonne des Prinzen von Hohenlohe hier ankam. Ganz still rückten nun die Preußen hinter den Tiergarten an die »Geel Weed«* vor. Die andre Kolonne der Preußen, die Dü[r]kheim passierte, machte auf dem Schenkenböhl* halt, wo sie ihre Kanonen aufpflanzte und in Wachenheim hineinschoß. Die andre Kolonne, die hier durchpassierte, pflanzte ihre Kanonen auf dem Neuberg und am Niederkircher Weg auf. Die Franzosen, welche befürchten mußten, durch diese Kolonne von Wachenheim abgeschnitten zu werden, zogen sich nach Forst zurück, wo sie eine Redoute* hatten, die sie aber nach 4 daraus getanen Schuß verließen, um sich bis nach Deidesheim zurückzuziehen. Bei dieser Gelegenheit wurde ein Adjutant de[s] Prinz[en] von Hohenlohe, der am Eingang des Neuberg hielt, durch eine Kanonenkugel getötet und abends auf unsrem Kirchhof begraben.
Die preußischen Scharfschützen kamen jetzt oben an Deidesheim den Berg herunter und warfen von Forst her Haubitzen in Deidesheim, worauf sich die Franzosen auf die Hohl postierten und Deidesheim ganz verließen. Durch diese Kanonade brannten 2 Häuser in Meckenheim ab und 2 in Deidesheim. Die Kanonade und das Flintenfeuer dauerten nun bis Nacht fort und jede Partei blieb auf ihrem alten Platz. Mit wenig glücklicherem Erfolg attaqierten die Kaiserlichen die Franzosen an der Rheinseite in der Linie von Schifferstadt, wo sie sich unter großen Verlusten wieder unter die Kanonen zurückziehen mußten.
Abends kam nun die ganze preußische Armee wieder und zog sich bis nach Frankenthal und Herxheim zurück, weil auch die Preußen bei Lautern nicht reüssiert* hatten.
Samstag den 24. kam wieder eine französische Patrouille hierher. Sonntag, den 25. rückte die ganze preußische Armee wieder vor und die Franzosen zogen sich von selbst zurück, weil Lautern verloren gegangen war und ihnen die Preußen hernach durch das Neustadter Thal in den Rücken gekommen wären. Die deutsche Armee bezog nun die Linie Speyer-Neustadt-Lautern. Das Hauptquartier der Preußen kam nach Mußbach.
Die Reserve-Artillerie, die aus 50 Pulverwagen, 300 Pferden und einer Kompagnie Kanonieren bestand, blieb bei uns.
Nun wurde wieder alles Vieh herbeigeholt, um das Feld, das ganz verwildert war, wieder zu bearbeiten.
Ich bekam den Artillerieleutnant und 4 Mann zur Einquartierung. Diese blieben bis den 30. Juni hier, alsdann aber wurden sie nach Meckenheim verlegt.
Meine Eltern, die bis jetzt noch in Mauer waren, kamen auch wieder heim.
Bis auf die beiden letzten Sätze des Mai-Eintrags scheint sich im Juni 1794 für Köster kaum etwas Berichtenswertes ereignet zu haben. Deshalb fehlt ein eigener Text zu diesem Monat. Dass es sich hier allerdings um die berühmte Ruhe vor dem Sturm handelte, zeigen die Ereignisse, von denen Köster im Juli berichten kann: Die französischen Truppen greifen in einer großen Offensive die tief verschanzten alliierten Truppen an. Die Zeugnisse dieser Kämpfe lassen sich noch heute im Pfälzerwald bestaunen!
Juli 1794
Den 4. Juli kamen 40 gefangene Franzosen hier durch, die von ihrer preußischen Bedeckung recht menschlich behandelt wurden. Sie waren in einer Affäre bei Kirrweiler gefangen worden. Vorher fiel auch noch eine Affäre bei Rodt vor, in welcher die Franzosen 6 Kanonen und 300 Gefangene verloren.
Sonntag den 13. Juli griffen die Franzosen in aller Früh die ganze deutsche Linie an von Germersheim bis Lautern. Der Kanonendonner und das Flintenfeuer hörten den ganzen Tag nicht auf. Die Preußen hatten sich hinter Rhodt auf einem Berg, den man den Schänzel, auch Plattenberg* , nennt, vortrefflich verschanzt, und diesen mußten die Franzosen bestürmen. 3 Generäle waren dazu bestimmt, nämlich Degrange* kommandierte den linken Flügel, Sisé* den rechten und Luft* das Zentrum. Die Preußen hatten alle Täler und Wege mit Verhauen befestigt und überdies noch eine Bach angeschwellt, die man durchwaten mußte, der Berg war mit 3fachen Batterien verschanzt. Ungeachtet aller dieser Schwierigkeiten erstiegen die Franken nach einem Marsch von 7 Stunden mit gefälltem Bajonett den Berg, wo sie drei Bataillone nebst dem Generale – es war General Pfau* – samt ihrer Artillere zu Gefangenen machte. Auf der Ebene bei Rhodt nahmen die Preußen den Franken 2 Kanonen und 1 Haubitze ab, auch der General Labosière* und 50 Volontäre wurden bei dieser Affäre, gefangen.
Ich ritt selbst heute nach Hambach, wo schon alles voll Blessierten war, die Bagage stand bei Mußbach, das Dorf Edesheim brannte in hellen Flammen, auch sah man in anderen Orten Rauch aufsteigen. Man sagte, 7 Stunden um die fränkische Grenze umher würden alle Dörfer abgebrannt werden.* Die ganze Armee verließ nun in der Nacht ihre Position und zog sich bis Neustadt zurück, den 14. kam die Bagage in unsre Gegend zu stehen nebst der Reserve-Artillerie.
Ganze Ortschaften kamen nun wieder mit ihrem Vieh und Habseligkeiten an, die aus Furcht vor der Behandlung der Franzosen ausgewandert waren. Der Schrecken war diesmal noch viel größer als das erstemal. Wagen mit Kindern und Weibern kamen an.
Heute kamen viele Blessierte hier durch, nebst 50 gefangenen Franzosen, dem Bürger-General Labosiere und 2 Kanonen, 1 Haubitze.
Alles packte aun ein, meine Mutter und Geschwister fuhren nach Mannheim, mein Vater und ich blieben hier. Die Straße war immer so voll Menschen und Vieh wie bei einer kath. Prozession. Soeben kommt der Befehl, daß 40 Mann von hier in den Haßlocher Wald kommen sollen, der zusammengehauen werden solle. Das Lager der Preußen ist bei Mußbach auf der Chaussee und in den Weinbergen, man konnte es hier deutlich sehen.
Die Franken rückten nun immer weiter vor und kamen schon bis Neustadt. Den andern Tag ritt mein Vater allein nach Mannheim und ich blieb da. Viele Haushaltungen wanderten aus und ließen die Häuser leer stehen. Heute abend sah man den Kanonendampf zwischen Neustadt und Mußbach, das Lager war abgeschlagen, unsre Artillerie bekam Ordre fortzumarschieren, weil heute Nacht die Armee sich bis Frankenthal zurückziehen würde. Viele Bagage nebst dem Kürassier-Regt. »Weimar«* passieren soeben hier durch.
Heute Nacht marschierte wirklich die Kolonne des Prinzen v. Hohenlohe hier durch und nahm ihren Weg nach Ungstein und Lambsheim. Nur ein Kommando von 50 Mann Husaren blieb hier, die ihre Vedetten* an der Hohl hinter der Kirch stehen hatten, wo sie auch den ganzen Tag stehen blieben. In der Gegend von Niederkirchen sah man schon die Franken herumschwärmen. Jedermann war in Angst und Schrecken wegen des Betragens des Feindes. Heute Nacht zogen sich die Vorposten der Preußen zurück nach Erpolzheim und morgens kamen die ersten Franken hierher. Es waren Schasseurs vom 8. Regiment. Ich ging ihnen entgegen und bat sie, bei mir zu frühstücken, welches sie auch höflich annahmen. Sie sagten, daß sie diesmal nicht als Feinde, sondern als unsre Freunde kämen. Es würde niemand etwas genommen werden, man solle nur alle geflüchteten Sachen wieder herbeiholen. Auch seien alle die Commissions d'évacouation* abgeschafft.
Heute Abend kamen auch Leute von Deidesheim, welche das Betragen der Franzosen nicht genug loben konnten. Auch ließ der General Girard Ditvieux* bekanntmachen, daß jedermann wieder nach Hause kommen solle, sie seien als Freunde da.
Daraufhin schrieb ich meinen Eltern und sie kamen 2 Tag hernach wieder hier an.
Die fränkische Armee stand nun wieder in der Linie Schifferstadt-Wachenheim. Den 18. kamen zwei Regimenter Kavallerie nebst der reitenden Artillerie und rekognoszierten die Gegend von Lambsheim und Freinsheim. Den 20. kamen wieder 2 Regimenter Kavallerie mit den Kanonen und stellten sich auf den Anhöhen des Bruchs in Schlachtordnung. Nachmittags gingen sie wieder in ihre Linie.
Den 22. Juli kam eine Requisition, nach welcher wir innerhalb 24 Stunden 6000 Pfd. Brot ins Magazin nach Winzingen liefern sollten. Im Weigerungsfalle sollte das Dorf angesteckt werden. Unterzeichnet war das Schrifstück von General-Adj. Malet* und Barbier* , commissaire de guerre. le 4. Thermidor, lan 2ième de la Rep. Française.
So unmöglich es auch war, dieses in so kurzer Zeit zu liefern, da noch kein Korn zuhause war, wurde doch den 24. 489 Pfd. und den 25. 1208 Pfd. Brot ins Magazin nach Winzingen geliefert.
Den 26. wurde die eine Hälfte des 2ten Chasseurs-Regts. hier, die andre in Gönnheim einquartiert. Wir bekamen den Kommandanten La Poterie und den Obristleutnant Courtelle. Jedermann war mit ihnen zufrieden. Diesen mußten wir alle Tage 150 Rationen Heu a 15 Pfd. liefern. Ihre Vorposten stunden auf den Anhöhen des Bruchs. Heute wurden auch ins Magazin nach Winzingen 1288 Pfd. Brot geliefert.
Den 28. kam der Befehl vom Kriegskommissär, 70 Ztr. Frucht und 50 Rationen Brot nach Neustadt zu liefern.
Heute kamen 2 Bataillone Volontärs, die ihre Baracken auf der Waltershöhe zwischen den Wingerten errichteten. Das Stroh mußte unser Dorf allein dazu hergeben, ungefähr 2000 Gebund.
Den 29. wurde ins Magazin nach Neustadt 1386 Pfd. Brot geliefert. Heute sind noch 2 Kompagnien Infanterie in den Schloßgarten gekommen, die auch etliche hundert Gebund Stroh geholt haben. Die Kartoffeln wurden in der Gegend des Lagers fast alle geholt und in den Wingerten großer Schaden getan. Ungeachtet, daß alle Tage Holz hinausgefahren wurde, sind uns allein in 8 Tagen 1500 (Wingerts-)Stiefel* verbrannt worden.
Den 30. kam ein Courier, das Robespierre den 9. thermidor (gestürzt und den 10.)* hingerichtet worden sei.
Den 31. sind nach Neustadt ins Magazin der Republik 9 Malter 4 Simmern Korn geliefert worden. Commissaire Porel.
Dem Erntemonat August entsprechend war es den Verantwortlichen der französischen Truppen in dieser Zeit ein Hauptanliegen, sich mit Vorräten einzudecken. Wenn sie auch diesmal für die geforderten Güter wenigstens Empfangsbestätigungen erhielten, werden diese Abgaben den betroffenen Menschen – besonders nach den vorherigen, entbehrungsreichen Monaten – nicht leicht gefallen sein. So mussten die Erträge, die geerntet werden sollten, zuvor gesät werden, was eingedenk der Kriegswirren mehr schlecht als recht möglich gewesen sein wird.
August 1794
Den 1. sind 200 Gebund Stroh ins Lager nach Dürkheim geliefert worden.
Den 2. sind ins Magazin der Republik nach Neustadt 792 Pfd. Brot gel. worden.
Den 3. mußten auf den Befehl des General-Adjutanten Grandjean 40 Mann von hier nach Meckenheim Redouten machen.
Den 4. heute kam der Befehl vom commissaire de guerre* Nasson, daß aller Hafer gemäht und gedroschen, die vorfindliche Quantität aber dem Kriegskommissär solle angezeigt werden. Heute mußten wieder 40 Mann nach Deidesheim schanzen.*
Den 5. ist das Chasseur-Regt. nach Wachenheim verlegt worden und die Volontärs bezogen ein Lager am Juden Kirchhof, das wir allein mit unserm Stroh errichten mußten. Die 40 Mann starke Grande Garde, die bei uns die Vorposten hatten, mußten wir nun alle Tage mit Essen, Stroh und Heu versehen.
Den 8. kam der Befehl vom Kriegskommissär Barbier, die Anzahl unsrer Pferde, Ochsen, die Namen der Eigentümer und die Nummeros ihrer Häuser einzuschicken (Deidesheim le 21 thermidor).
Den 14. August bekamen wir den Befehl vom Kommissär Barbier, alles Heu und Ohmet* mähen zu lassen, das vorrätige zu Rationen oder 15 Pfd. binden und allen Hafer nach Deidesheim fahren zu lassen. Zugleich schickte er einen gensdarme d'exécution, (NB! Der meiste Hafer ist auf dem Feld fouragiert und auf den Scheunen geholt worden). Heute hat man eine starke Kanonade bei Oggersheim gehört.
Den 16. kam der Befehl vom Général en chef alle Waffen: Flinten, Pistolen, Säbel, Kugeln, Pulver und Blei nach Landau einzuliefern, was aber im Frühjahr schon geschehen war.
Den 17. kam der Befehl, alle Quittungen für gelieferte Fourage gegen Recipisse* einzuliefern.
Den 18. kam neuerdings der Befehl von Kommissär Maßon, allen Hafer mähen und dreschen zu lassen. An den garde magazin in Winzingen wurden heute 68 Gebund Stroh geliefert, ferner an das 2. Regiment de chasseurs nach Wachenheim 153 Gebund Futterstroh, ferner an den Kommissär Maßon 10 Malter Hafer nach Deidesheim.
Den 19. kam der Befehl von Generaladjutant Grandjean, daß niemand bei schwerer Strafe Wingertsholz verbrennen solle. Heute wurden an das 2. Regt. de
Chasseurs 100 Gebund Stroh nach Wachenheim geliefert.
Den 20. wurden 20 Mäher und 10 Recher ins Bruch requirieret Heu zu machen.
Den 21. wurden wieder an die Chasseurs in Wachenheim 100 Gebund Stroh geliefert, am 22 wieder 200 Gebund.
Den 25. wurden 25 Mäher und 10 Dörrmacher* ins Dürkheimer Bruch* requiriert.
An das 2. Kavallerie-Regt. wurden nach Niederkirchen 6 Wagen Stroh geliefert. Auch kam heute der Befehl vom commissaire ordonnateur en chef La Serre, die Backöfen zu Dürkheim wieder helfen aufzubauen.
Den 26. wurden 200 Gebund Stroh an das 2. Chasseur-Regt. nach Wachenheim geschickt, ferner wurden 20 Mäher und 10 Weiber ins Bruch requirieret.
Den 27. wurden an die halbe 54. Brigade 200 Gebund Stroh ins Lager nach Forst geliefert, den 28. an das 2. Kavallerieregt. nach Niederkirchen 140 Rationen Heu und 300 Gebund Stroh, ebenso an die halbe 54. Brigade 12 Gebund Stroh, an die halbe 65. Brigade 36 Gebund Stroh ins Lager.
In diesem Monat haben wir für die Republik 254 Tag gefahren.
Dass von den französischen Truppen besetzt zu sein nicht bedeutet, nun seine Ruhe vor dem Kriegsgeschehen zu haben, zeigen Kösters Ausführungen zum September 1794. Zwar scheint die französische Militärverwaltung funktioniert zu haben, wie seine Aufzählung der verschiedenen Abgaben schließen lässt. Allerding ist dies anscheinend die einzige Stabilität in den damaligen Wochen. Denn auch wenn die Franzosen auf ihre regelmäßigen Kontributionen bestehen, ist die Gegend des gesamten linken Rheinufers bis hinauf nach Trier weiterhin der Schauplatz schwerer Auseinandersetzungen und unklarer Frontverläufe. Eine insgesamt schwankende Gemengelage, die zeitweise auch Kösters Heimatort führt. Was dies heißt, können wir in seinem September-Eintrag nacherleben.
September 1794
Den 1. wurde an die halbe 65. Brigade nach Forst ins Lager 300 Gebund Stroh geliefert, den 4. an die halbe 16. Brigade 100 Gebund Stroh nach Deidesheim ins Lager, ferner an die halbe 54. Brigade 30 Gebund.
Den 5. wurde an die halbe 56 Brigade 300 Gebund Stroh ins Lager geliefert, den 6. an die halbe 54. Brigade 40 Gebund, an andere Volontärs 120 Gebund.
20 Mann mußten nach Wachenheim schanzen.
Den 7. wurde an das 2. Kavallerie Regt. 350 Gebund Stroh nach Niederkirchen geliefert, den 8. an das 2. Chasseursregt. 270 Gebund nach Wachenheim, den 9. an Volontärs abgegeben 288 Gebund, den 10. an das 2. Kavallerieregt. nach Niederkirchen 600 Geb. Futterstroh geliefert.
Den 11. wurde an das 2 Chasseurs-Regt. 300 Gebund Spelzen- und Gerstenstroh nach Wachenheim geliefert.
Den 12. wurden die Chasseurs, die alle Morgen Patrouille am Lambsheimer Wäldchen vorbeimachten, von den Preußen und Pfälzer Cheveaux-legers* , die sich in dasselbe versteckt hatten, überfallen. Die Franzosen, die sich umzingelt sahen, jagten unserm Dorf zu, die Preußen verfolgten sie. Da viele von diesem Regimente schlechte Pferde hatten, wurden etwa 20 gefangen. Sie verfolgten die Chasseurs bis in's Mitte Dorf, wo sie an das Bergdolts Haus noch einen bekamen. Die Chasseurs sammelten sich wieder am Ende vom Dorf, und die Preußen jagten wieder mit ihrer Beute in ihre Standquartiere zurück. Die Preußen waren 200 an der Zahl, die Chasseurs 40–50.
Den 13. wurden 2 Kärch* Stroh ins Lager geführt, den 14. an verschiedene Volontärs 100 Gebund, den 15. 1 Karch Stroh ins Deidesheimer Lager.
Außer diesen vielen Lieferungen haben einzelne Reiter alle Tage Heu und Stroh gebundweis geholt und immer die Speicher und Häuser nach Hafer durchsucht, den sie auch oft gefunden, wenn er nicht recht verborgen war.
Die Feldwache hat seit dem 5. August bis heute alle Tage 20 bis 30 Rationen Stroh gebraucht, welches ganz gering gerechnet 1000 Gebund macht. Ferner mußten wir alle Tage einen Karch Holz und wenigstens einmal par jour zu Essen bringen. Beim Pferdetränken wurde noch einmal gegessen und getrunken und noch Fourage mitgenommen. Der Schaden, den die Infanterie in den Weinbergen getan hat, ist außerordentlich groß. Alle Stiefel* und Balken um die Lager herum sind zu den Baracken und zum Feuermachen geholt worden, die Wingerte so neben dran waren, müssen meist ausgehauen werden. Der Schaden, den wir an den Trauben hatten, ist auch beträchtlich. Nach Angabe der Bürger beträgt er 26 Fuder 3. Ohm Wein in unsrer kleinen Gemarkung. Der Schaden des Wingertsholzes übersteigt diesen noch. Um die Trauben besser transportieren zu können wurden viele samt den Reben abgeschnitten, zusammengebunden und an Stangen fortgetragen.
Am Gebirg ist der Schaden noch viel beträchtlicher als hier. Ein Bürger aus Deidesheim, der gewiß dies Jahr 40 bis 50 Fuder Wein bekommen hätte, macht drei Fuder, auch mußten die Trauben vor der Zeit gelesen werden, um noch etwas zu bekommen.
Den 17. wurden 6 Fuhren Holz im Walde für die Wachen geholt.
Den 19. hörte man eine große Kanonade von Lautern her.
Sonntag dauerte die Kanonade fort, bei Leiningen und Battenberg wurden ebenfalls die Franzosen angegriffen. Abends zogen sie sich wieder aus unsrer Gegend zurück, weil Lautern erobert war, die Linie bei Schifferstadt aber blieb von ihnen besetzt.
Sonntags, den 21. ließen sich die ersten Kaiserlichen hier sehen. Dienstags rekognoszierten die Kaiserlichen die Gegend von Niederkirchen und Deidesheim, wobei es zu kleinen Scharmützeln kam.
Den ?* rückten die Oesterreicher unter Anführung des Generals Hotze* mit 8000 Mann Kavallerie bis nach Deidesheim und Niederkirchen vor, ihre Infanterie blieb hinter Dürkheim stehen. 2 Regimenter und 1 Regiment Dragoner nebst dem General Erbach passierten hier durch. Als sie gegen den Mußbach vorrückten, wurden sie von der französischen Artillerie volante* und den Tirailleurs* , die in den Weinbergen versteckt lagen, so empfangen, daß sie sich mit Verlust von 30 Mann zurückziehen mußten. Um doch ihren Mut an den Franken zu kühlen, verbrannten sie auf ihrem Rückzug alle fränkischen Lager, die uns wenigstens 20 000 Gebund Stroh gekostet hatten und verursachten uns dadurch den größten Schaden. Mittags kamen sie wieder hier durch und zogen sich bis Lambsheim zurück, wo ihre Vorposten standen.
Lautern mußten die Preußen auch wieder verlassen, weil die Moselarmee bis Trier vorgedrungen war und die Oesterreicher Armee in den Niederlanden sich immer dem Rhein näherzog. Etliche Tage schickten die Kaiserlichen ihre Patrouillen hin und her und die Franken die ihrigen nach Niederkirchen und Wachenheim.
Den 29. rekognoszierten die Oesterreicher Husaren mit 300 Mann die Gegend von Forst und Niederkirchen und bestellten im Rückzug Knöpf* für 100 Mann. Als dieselben fertigen waren, kamen 40 Chasseurs vom 2. Regt., die Husaren nahmen die Flucht und wir sparten das Essen. 2 Tage nachher nahm die Fränkische Armee ihre alte Position wieder ein und wir hatten die grande garde und Vorposten zu versehen. In diesem Monat hat unser Dorf 311 Tage für die Republik gefahren.
Im Laufe des Oktobers 1794 enden die militärischen Auseinandersetzungen auf dem linken Rheinufer langsam, da sich die alliierten Truppen auf dem Rückzug befinden und sich über den Rhein zurückziehen. Neben den Abgaben, die weiterhin geleistet werden müssen, kann nun über die Entschädigung von Verlusten verhandelt werden, die durch die unmittelbaren Kriegshandlungen entstanden sind: Es bildet sich eine gewisse Normalität im Ausnahmezustand heraus.
Oktober 1794
Da nun die Infanterie keine Baracken mehr hatte, kamen den 1. Oktober ganze Bataillone und in 1einhalb Stunden hatten sie uns allein 700 Gebund Stroh, die wir in unserm Stall hatten, geholt. Alle Pferde und Ochsen wurden auf dem Felde weggenommen und angespannt, und jeder Volontär nahm noch 3–6 Gebund auf die Schultern. Dies währte bis in die Nacht. 6000 Gebund sind zuverlässig heute geholt worden. Der Rest wurde am 2. noch geholt, auch ist hin und wieder abgeboßt* Korn fortgeschleppt worden.
Da die Volontärs unter dem Vorwand Stroh zu holen nun alle Tage hierherkamen, aber die Gärten aussuchten und in die Weinkeller einbrachen, so hat uns der wegen seiner Rechtschaffenheit in der ganzen Gegend beliebte General Girard Ditvieux von Deidesheim eine besondere Wache von 4 Chasseurs und 1 maréchal de logis* an den Eingang des Orts gestellt, welche die Ordre hatten, Niemand ohne Erlaubnis von seinem Chef ins Dorf zu lassen.
Den 3. kam das 17. Regt. des dragons* von Schifferstadt und holten 300 Gebund Futter-Stroh nebst einem Karch Kartoffel für den Obrist-Leutnant Albrecht, der bei uns zu Mittag aß.
Den 4. rückten die Franken mit 3 Regimentern Kavallerie und einer Division* der Artillerie Maute gegen Ellerstadt vor, kamen aber nach einer zweistündigen Kanonade, wobei kein Mann blessiert wurde, wieder zurück. Eine Haubitze ist bei Ellerstadt demontiert worden. Die Preußen standen mit ihren Kanonen zwischen Lambsheim und Eppstein.
Heute wurden an die halbe 54. Brigade 70 Gebund Stroh geliefert, den 5. ins Lager nach Forst 3 Wägen Stroh; den 6. wurden 3 Wägen Stroh für die Feldwachen geholt.
Heute plänkelten die Chasseurs und preußische Husaren »von Golz«* stark bei der Eyersheimermühle*
Den 7. wurden an das 2. Kavallerie-Regt. 600 Gebund Futterstroh nach Niederkirchen geliefert, den 8. an die halbe 54. Brigade 167 Gebund Stroh ins Lager.
Den 12. wurde wiederum stark im Bruch geplänkelt.
Den 13. ist die grande garde des 2ten Regiments des chasseurs durch das 4. abgelöst worden. Den 14. wurden 100 Gebund Stroh an die Infanterie nach Wachenheim geliefert. Die vom 4. Regiment des chasseurs gestellte Wache wurde heute* durch das 8. Regiment des dragons abgelöst.
Heute* hörte man eine starke Kanonade von Oggersheim her. Heute* ritten die Vorposten und starke Patrouillen vorwärts, man sagte, die Armee avanciere* . Die Preußen und Oesterreicher sahen sich in Rücksicht der fränkischen Moselarmee genötigt, ihre Positionen zu verlassen und sich gegen Mainz zurückzuziehen, weil sie befürchteten, von der Moselarmee abgeschnitten zu werden.
Heute* Nacht brach die ganze Armee auf und rückte in die Linie Worms – Grünstadt. 5 Regimenter Kavallerie ritten hier durch nebst der reitenden Artillerie. Um 12 Uhr kamen das 2te Regiment de la Cavallerie hier an und mußten auf dem Felde halten, um weitere Befehle abzuwarten. Viele schlichen sich weg und machten große Unordnung im Dorf, davon wir das meiste gewahr wurden. Nach Verlauf einer Stunde wurde das Regiment hier einquartiert und wir bekamen den Kommandanten und Leutnant Colonel, die uns Ruhe verschafften. Morgens früh ging das Regiment fort. Am Gebirg marschierte noch viele Infanterie und Bagage. Gegen Abend war alles ruhig und jedermann war froh, nun einmal wieder frei atmen zu können. Die fränkische Armee rückte nun in etlichen Tagen bis Mainz vor. Auch die Oesterreicher wurden ganz über den Rhein getrieben.
Den 26. kam der Kommissär Schwester, welcher einen Procès verbal* über alle hiesigen herrschaftlichen Abgaben ausfertigte und mit den Erbbeständern* sich zu einem geringeren Pacht verstand, weil wir einen außerordentlichen Schaden in Ansehung der Früchte und anderen Gewächse erlitten hatten. Denn allein das, was auf dem Felde fouragiert und ohne Schein* gewaltsamer Weise nach richtiger Angabe der Eigentümer ist hinweggenommen worden, beträgt: 150 Pfd. Mehl, 68einhalb Malter Korn, 9dreiviertel Malter Weizen, 30 Malter Spelz, 27 Malter Garste, 258einhalb Malter Hafer, 3856 Rationen Heu, 19 848 Gebund Stroh, 26 Fuder 3 Ohm Wein.
Ferner beträgt die (Wert-) Summe aller Effekten als: Kleider, Möbel, an Obstgärten, Feldgewächsen, (Rüben, Grundbirnen), Geld, Holz etc., so der Gemeinde Friedelsheim seit dem letzten Hiersein durch die französische Armee ist gewaltsam ohne Schein genommen worden, eine Summe von 4389 fl. 56 Kreuzer.
Der Schaden, so durch das Reiten* verursacht worden ist, beträgt nach gewissenhafter Angabe:
- Weizen 51 M. 4 S.
- Korn 143 M.
- Gerste 49 M.
- Spelz 209 M.
- Hafer 52 M.
Da der Kommissär auch den Weinzehnten forderte, hat sich die Gemeinde zu 2 Fuder und der Münchhof* zu 1 Fuder veratanden und sogleich zusammentragen lassen; auch hat er das Schloßpferd fortführen lassen.
Den 30. wurden 50 Gebund Stroh in das Dürkheimer Spital geliefert.
In diesem Monat haben wir 120 Tage für die Republik gefahren.
Der November vor 200 Jahren scheint eine gewisse Ruhe verschafft zu haben: Außer von den üblichen Abgaben und einigen, allerdings weiter entfernt stattfindenden Kriegsereignissen, ist Kösters Eintrag zu diesem Monat sehr schmal. Ein ereignisarmer Monat dürfte den Menschen nach einer langen Phase der Unsicherheit nicht unrecht gewesen sein.
November 1794
Den 4. hat sich die Festung Maastricht (Holland) an die Franken ergeben. 31 Fahnen, 352 Kanonen, 380 000 Pfd. Pulver und 1400 Flinten wurden darin gefunden. Die Garnison bestand aus 7000 Mann.*
Den 5. hat sich die Festung Rheinfels mit 39 Kanonen an die Franken ergeben.
Den 6. hat sich Nymwegen mit 80 Kanonen und 1200 Gefangenen ergeben.
Den 11. wurde von den Préposés de l'agence Maître* und Antoine* die ganze Summe in Frucht ad 862 Malter begehrt und der in 46 Malter bestehende Vorrat auf den 12. zu liefern anbefohlen.
Den 12. wurde ins Magazin nach Dürkheim geliefert: Korn 48 Malter, Gerste 4 Malter, Spelz 4 Malter.
Den 16. kamen Maitre und Antoine wieder und forderten über die bereits gelieferten 46 Malter hinaus noch 60 Malter. Es wurden daher den 24. noch ins Magazin geliefert 41 Malter Korn.
Den 27. kam von der Volksrepräsentation der Befehl hierher, bei Strafe des Verdachtes* nur bei ihnen Salz zu kaufen.
Den 27 hörte man starke Kanonenschüsse von Mannheim her.
In diesem Monat hat auch unser Ort 26 Tag für die Republik gefahren.
Die meisten militärischen Auseinandersetzungen fanden auch im Dezember 1794 in größerer Entfernung statt. Eine Ausnahme stellt die Bombardierung Mannheims dar, um die Mannheimer Rheinschanze (heute Ludwigshafen) zu erobern. Wir können dank Kösters Bericht erahnen, welch schaurige Erfahrung dies im ca. 20 Kilometer entfernten Friedelsheim gewesen sein muss.
Dezember 1794
Den 3. Dezember kam der Befehl vom Commissaire de guerre Masson, alle kleine und große Leitern ins Hauptquartier der Belagerungsarmee vor Mannheim zu bringen.
Den 1. haben die Franken die Malin-Schanze bei Mainz nebst 4 Kanonen und 1 Haubitze erobert, nach erhaltener Verstärkung haben die Deutschen sie wieder daraus vertrieben. Sie bestürmten sie aber neuerdings und eroberten wieder 3 Kanonen und 1 Haubitze; die Schanze wurde sogleich geschleift.
Den 4. wurden 8 Leitern nach Oggersheim geliefert.
Den 8. kam ein Befehl vom Kommissär Masson, alle Strohbänke nach Oggersheim zu liefern; den 10ten wurden 2 Stück geliefert.
Den 11ten sind 20 Mann nach Friesenheim beordert worden.
Den 6. Frimaire* eroberten die Republikaner die Forts Fernando und Figuieres.* Die Beute bestand in: 150 Kanonen. 9107 Gefangenen, 200 000 Pfd. Pulver, 31 Kisten der Kriegskasse, 10 000 Zentner Mehl, 800 Zentner Stockfisch, 1000 Zentner Bohnen, 200 Zentner Käs, 150 Liter Oehl, 80 Liter Branntwein, 6300 Zentner Gerste, 2000 Hämmel, 27 Ochsen, 11 000 Bettdecken, 4000 Hauptkissen, 8000 Strohsäck. 2000 Bettladen.
Den 15. kam ein Befehl vom Kriegskommissär 40 Malter Kartoffeln nach Ruchheim in die Kirch zu liefern.
In der Nacht den ? (Datum fehlt) haben die Franken nach vorhergeschehener Aufforderung der Rheinschanz (zur Uebergabe) nachts 12 Uhr Mannheim mit Bomben zu schießen angefangen, man hat es aus unserm Haus recht deutlich sehen können. Immer wurden 4–6 Kanonen zugleich losgebrannt. Die Kanonade währte bis mittags 10 Uhr. Die Bomben flogen bis ans Heidelberger Tor, auch wurde die Rheinbrücke entzwei geschossen, der Rhein ging stark mit Grundeis. Die Deutschen übergaben das Fort, die Garnison nahm ihre Kanonen und Munition mit fort. Der eine Teil der Brücke, so das Eis an diese Seite getrieben hat, blieb den Franken, es waren 21 Pontons.
Den 27. Dezember gewannen die Franken einen entscheidenden Sieg an der Waal und auf der Insel Commel.* Sie eroberten 120 Kanonen, 2 Fahnen, 300 Pferde und machten 1600 Gefangene. Den nämlichen Tag hat sich auch die Festung Grave* mit 125 Kanonen und 1500 Gefangenen ergeben.
In diesem Monat haben wir 18 Tage für die Republik gefahren.
Mit diesem Eintrag endet das Historische Fundstück um Karl August Kösters Tagebuch aus dem Jahr 1794 – jedenfalls vorerst. Da die ersten Einträge aus dem Jahr 1795 knapper sind, pausiert das Format im kommenden Jahr zunächst und wird in größeren Etappen fortgesetzt, bis Kösters Berichte zusammen mit dem erneuten Aufflammen des Koalitionskrieges wieder ereignisreicher werden. Seien Sie daher auf eine Fortsetzung im Jahr 2025 gespannt!